Die Alemannia-Doku, Teil 8

Der zweite Autor unserer großen Alemannia-Doku ist Axel Schaffrath. Seit vielen Jahren pilgert Axel zu den Heim- wie auch den Auswärtsspielen. Beeindruckend, legte er doch lange Zeit für jedes Heimspiel mehr als 700 km zurück. Wahrscheinlich waren es die langen Autofahrten, in denen er die Zeit fand, seine Gedanken für diese Doku zu sortieren. Herausgekommen ist ein interessanter, mit viel Hintergrundwissen garnierter Blick auf fast 10 Jahre Alemannia. Individuell, offen und ehrlich.


Teil 8: Alemannia 2000 – zwischen Wahnsinn und Genie von Axel Schaffrath

· 99/00Die Aufstiegseuphorie
· 00/01 Das verflixte zweite Jahr

Rechtzeitig zum neuen Millennium kehrte ein „Traditionsklub“ wieder zurück in den Profifußball – 9 Jahre hatte es gedauert bis den Kartoffelkäfern wieder der Aufstieg aus den Niederungen des Amateurfußballs gelang. Natürlich konnte das nicht ohne die unglaubliche Emotionsspannweite passieren: kurz vor dem Aufstieg verstarb Werner Fuchs, ein Alemanne durch und durch. Das Erbe des Werner Fuchs war geprägt von Höhen und Tiefen wie sie wohl nur wenige Fußballvereine – vor allem in dieser Geschwindigkeit – durch leben. An einige dieser High- und Lowlights möchte ich kurz vor dem Wechsel in ein neues Jahrzehnt gerne erinnern. Das Ganze ist Tatsächlich nur erlebte und durchlebte Erinnerung mit total subjektiver Betrachtung, es mag Details geben an die ich mich nicht mehr erinnere und andere an die ich mich falsch erinnere…

Die Aufstiegseuphorie

Der Start ins erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausend verlief vielversprechend, erst holte Alemannia im Playmobilstadion im Nachholspiel einen Punkt, dann stürmten die schwarz gelben mit dem neuen Chinesischen Knipser Xi Hui das Waldaustadion in Stuttgart. Bemerkenswertes Detail am Rande: die Mannschaft mit Trainer Eugen Hach ließ es sich nicht nehmen auch für die ca. 12 Fans auf der Sitzplatztribüne eine Laola zu machen, was dem anwesenden Hauptsponsor der Kickers überhaupt nicht gefiel…

Das Spiel gegen den Top Aufstiegsfavoriten Bochum ging am Tivoli knapp mit 0-1 verloren, allerdings gelang danach in Berlin gegen TeBe sofort ein Auswärtssieg. Am Karnevalsfreitag gastierten dann die nördlichen Nachbarn aus dem Bauernland, denen die Alemannen im Hinspiel eine schmerzliche, wenn nicht sogar historische Niederlage zugefügt hatten, zum Spiel des Jahres. Es soll mit 22.500 Zuschauern ausverkauft gewesen sein – offensichtlich waren aber viel mehr Zuschauer im Stadion und es roch nach „schwarzer Kasse“. Es war ein tolles Zweitligaspiel mit einem „Jahrhunderttor“ von Taifur Diane, einem unverdienten Ausgleich und einer vergebenen 100%igen von Xi Hui Sekunden vor Schluss. Alemannia war oben dran und schürte kräftig die Träume von einem Durchmarsch in die Bundesliga. Ein Schlüsselspiel im Aufstiegskampf war das erste Auftreten von Ede Geyers Truppe Energie Cottbus am Tivoli und es war die Stunde des Eugen Hach: Nach einem Foul des Cottbussers Franklin direkt vor der Trainerbank griff Eugen den Sünder an der Gurgel und schüttelte ihn mal kräftig durch – das zog ein Disziplinarverfahren und 3 Monate Sperre nach sich. Nach diesem Spiel lag der TSV nur einen Punkt hinter den Lausitzern (3.) auf Platz 6, Punktgleich mit dem Bauernverein aus dem Norden.

Nach einer 1-2 Niederlage in St. Pauli kamen die Cöllner auf dem Tivoli . In einem tollen Spiel gelang dem bereits aufgestiegenen „Eff Zeh“ ein „glückliches“ 2-1 und es war klar dass Aachen den Durchmarsch nicht mehr schaffen konnte – „Zettel Ewald“ ließ sich von den 5.000 mitgereisten Ziegen Fans auf dem Aachener Wall feiern!
Am Ende belegte Alemannia Platz 8 und die „gudden Gumbels“ Bay Krings und Hach ließen sich als Helden feiern.

Das verflixte zweite Jahr

„Mir wedde angreife un uffsteige“ war die Parole des noch suspendierten Gumbel Drainers vor Beginn der Saison – der erste Dämpfer folgte im ersten Spiel in Ballwurfheim mit 0-3. Alemannia fing sich, doch von Aufstiegseuphorie war im weiteren Verlauf der Saison nur ganz wenig zu spüren. Im Spiel gegen den MSV Duisburg gelang Willi Landgraf ein sensationeller Glücksschuss aus 30 Metern in den Winkel, was ihn dann auch später immer mal wieder zu Weitschüssen animierte, die jedoch allesamt Ihr Ziel mehr oder weniger weit verfehlten. Die ersten Risse im Harmonie Gebilde der Gumbels und der Fans begannen sich zu zeigen – gewisse Geschäftspraktiken schienen doch merkwürdig aber noch gab es keinen echten Grund zur Revolution. Der Trainer glänzte mit kernigen aber nicht immer nachvollziehbaren Sprüchen („dreier Kette, vierer Kette oder Fahrradkette das ist doch egal“ und nach dem Spiel in Ulm (1-3) als er die letzten Minuten im neuen, legendären 5-0-5 System spielen ließ, gab er zu Protokoll: „Ich muss den Hut vor mir selber ziehen“) Der damals noch als Steuerberater agierende Steuerfachgehilfe Bernd Krings sollte erster bezahlter Sportdirektor werden – was allerdings am Widerstand des Umfelds und vor allem der Fans scheiterte.

Es war auch die Zeit in der die Alemannia auswärts eine zunächst unerklärliche Abwehrschwäche zu entwickeln begann – sogar zu Hause gab es die ein oder andere deutliche Klatsche. Zumindest fielen Tore wenn Alemannia spielte! Zum Ende des Jahres unterlag Alemannia zu Hause gegen Waldhof Mannheim mit 0-1 und es waren erstmals weniger als 9.000 zahlende Zuschauer anwesend – die Euphorie war verschwunden und es machten sich erste Abstiegsängste breit. Zu Weihnachten predigte der Drainer Maßhalten und Bescheidenheit, fuhr aber selber mit einer nagelneuen Unterürkheimer Luxuskarosse samt neuartigen DVD und Navigationssystem vor. Während die Testspiele in der Winterpause allesamt erfolgreich gestaltet wurden hagelte es in der Rückrunde Auswärtsklatschen am laufenden Band und die Ratlosigkeit bei den Verantwortlichen wurde immer größer – dabei hatte die Alemannia doch in der Winterpause extra den australischen Verteidiger Mark Rudan verpflichtet. Nachdem der TSV in Osnabrück vom designierten Absteiger VfL an die Wand gespielt wurde reagierten die Verantwortlich sehr dünnhäutig auf wachsende Kritik, nach einem 0-3 in Oberhausen gipfelte die Krise darin dass der damalige Vereinspräsident Hans Bay das offizielle Alemannia Forum im Internet abschalten ließ mit den Worten: „Diesen Dreck kann man einfach nicht lesen!“ Das nächste Heimspiel wurde ein legendäres: Die Fans machten mobil und organisierten sich, die ersten 10 Minuten im Spiel gegen Mainz 05 auf dem Tivoli waren gespentisch ruhig – der „Dreck“ schwieg! Diese Aktion offenbarte dass die Fans keine formbare Masse mehr sind – im Gegenteil. An höchster Stelle im Verwaltungsrat nahm man diese Aktion zwar zur Kenntnis, der VR Vorsitzende Jürgen L. sah aber keinen Grund zum Eingreifen. Das Spiel war auch ein wichtiges: Alemannia gewann 1-0 und rette sich damit vor dem Abstieg. Trainer der Mainzer war übrigens ein gewisser Jürgen Klopp, der die Saison noch als Abwehrspieler im Kader begonnen hatte und inzwischen der vierte Trainer der Mainzer war – auch sie vermieden den Abstieg ganz knapp!

Während die Saison ausklang wurde Xie Hui mit seinen 14 Saisontoren als einer der Topstürmer der 2. Liga in der Branche herumgereicht. Summen von 8 Millionen (DM) machten die Runde, Hansa Rostock galt als großer Interessent. Diese Summe ließ erste Zweifel am Finanzkonzept der „Gudden Gumbels“ Hach, Krings und Bay wachsen. Allerdings gelang es nicht Xie Hui zu verkaufen, Alemannia bleib auf Schulden und einem tief gekränkten Stürmer sitzen.

In der Sommerpause verstärkte sich der Verein mit dem australischen Beckham Goran Lozanovski, Ivica Grilc und Josef „Jupp“ Ivanovic. Ugur Incemann musste für die Rekordsumme von knapp 2,7 Millionen (DM) an St. Pauli verkauft werden und erste Gerüchte von massiven Finanznöten machten die Runde – unternommen wurde allerdings von verantwortlicher Seite nichts. Es sollte aber eine Saison folgen die nur noch mit den Worten „unfassbar“ zu beschreiben ist – vor allem im Rückblick!

Fortsetzung am 06. Januar, 10:00 Uhr

Kommentare: 1 Kommentar

Ein Kommentar zu “Die Alemannia-Doku, Teil 8”

  1. rolf Schüssler sagt:

    Die Darstellung ist an einigen Stellen so nicht richtig.

    Beispiel:
    Es ist nicht richtig, dassbei den ersten Gerüchten über finanzielle Probleme von verantwortlicher Seite ( da ist wohl der VR mit seinem Vorsitzenden, einem gewissen Dr. L gemeint) nichts unternommen wurde.

    Es wurde etwas unternommen, wie ja die folgenden Ereignisse zeigen.
    Es ist aber nicht mehr aufzuklären, ob auch ohne die Fans diese Maßnahmen ergriffen worden wären. Jedenfalls behaupten die Verantwortlichen, sie hätten sowieso Maßnahmen vorbereitet.

    Man sollte nicht Behauptungen in den Raum stellen, die nicht zu beweisen sind.Aber die Zielrichtung ist klar: Man will damit die heute Verantwortlichen treffen, die ja weitgehend mit den damaligen identisch sind, jedenfalls in der Spitze.

    Grüße
    rolf schüssler

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