Bericht zum 2. Fankongress in Berlin

Nach 2012 fand der zweite Fankongress erneut in Berlin statt. Die Organisatoren der beiden Fanverbände „ProFans“ und „Unsere Kurve“ hatten für die zweitägige Veranstaltung das Kosmos Eventcenter  angemietet. Neben Vertretungen von Fanorganisationen (wie Interessengemeinschaften) nahmen Fanbetreuer, Fanprojekte, diverse Initiativen (u.a. Fans Europe, Fans gegen Homophobie), Verbands- und Ligenvertreter, Vereinsvertreter und auch die Polizei teil. Teilnehmer aus der Politik (insbesondere der Sicherheits- und Innenpolitik) waren den Einladungen nicht gefolgt. Für die Fan-IG waren Dirk Habets und Friedrich Jeschke teil. Ebenfalls war das Fanprojekt, vertreten durch Sebastian Feis, vor Ort.

Wir möchten Euch im Folgenden eine kompakte Darstellung bieten. Am Ende sind ergänzend Presseberichte verlinkt.

Workshops am Samstag

Der Samstag war von insgesamt zehn Workshops geprägt und wurde mit einer Podiumsdiskussion abgeschlossen. Im Vormittag nahmen wir am Workshop „Heimspiel: der Dialog zwischen Fans und Offiziellen des Vereins“ teil.  Hier berichteten Vertreter des 1.FC. Köln und von Hannover 96 über die vorherrschenden Dialoge. Beim FC hat das neue Präsidium bereits vor seiner Wahl den Kontakt zu den Fans gesucht. Mittlerweile findet ein regelmäßiger Austausch statt, der unabhängig von etwaigen Vorkommnissen erfolgt. Beim gemeinsamen Ziel, alle Themen anzusprechen, geht man in drei Phasen vor: 1. Feedback und Kritikpunkte an der „anderen Seite“ -2. Wünsche aussprechen – 3. Diskussion welche Punkte realistisch umsetzbar sind. Im Gegensatz zu Hannover, wo Misstrauen zwischen Verein (Martin Kind) und Fans herrscht, berichten die Fans aus Köln von einem fairen Umgang und einem mitunter durchaus auch erfolgreichen Dialog. Das Beispiel Köln zeigt: auch wenn es auf nicht absehbare Zeit Streitpunkte gibt, die nicht zum Konsens führen (Pyrotechnik), so ist ein Dialog auf jeden Fall sinnvoll.

Im Nachmittag teilten wir uns auf und haben zum einen „Aufstieg, nein Danke. Warum sich viele Vereine zwischen Insolvenz und Bedeutungslosigkeit entscheiden müssen“ und zum anderen „Raus aus dem Trott – die Zukunft der Fanvertretung in Gefahr?“ besucht.

Thema eins wurde durch Vertreter aus Lübeck und Siegen eingeleitet. Erstaunliche Parallelen zu Lübeck (beendete 2012 nach 7 Monaten bereits die zweite Insolvenz) bestehen auch bei der Alemannia. Das nach Ende einer Insolvenz alles „super“ ist und ob es eine tatsächliche Chance bzw. ein Neuanfang ist, hatten die Redner mit einem Fragezeichen versehen. Durch eine Insolvenz zeigt sich aber, wer dem Verein wirklich treu ist. Engagierte Menschen und Firmen stehen weiterhin bereit und man kann die Strukturen „gesunden“. Zwar ist man beim Neustart ebenfalls pleite, aber man hat die Chance, Menschen mit Herzblut für den Verein zu wählen, da viele Gremiker und Verantwortliche „den Spaß verloren haben“.

Alleine zu diesem Thema könnten wir hier einen weiteren Bericht schreiben. Wir werden daher versuchen ausführlich bei den kommenden IG-Treffen darüber zu berichten.

Thema zwei widmete sich den regionalen und überregionalen Fanvertretungen und es erfolgte eine Bestandsaufnahme von Problemen, Zielen und Erfolgen. Mangels engagierter Mitstreiter ist es oft schwierig alle Ziele und Möglichkeiten mit den ehrenamtlichen Kräften zu erreichen. Dennoch stehen wir in Deutschland sehr gut da. In Europa sind die Fanvertretungen noch lange nicht so professionell. Dennoch mangelt es hier an der Anerkennung von Erfolgen durch die Fanvertretungen. Fazit: lokale Fanarbeit muss noch mehr gestärkt und die Öffentlichkeitsarbeit weiter optimiert werden. Dies geht zum einen durch optimierte Kommunikation mit den Medien als auch mit gezielter Lobbyarbeit der Fans. Hier bietet sich der Anschluss bei ProFans und/oder Unsere Kurve als überregionaler Zusammenschluss an.

Podiumsdiskussion mit Fans und Polizei

Die sicherlich mit Spannung erwartete Diskussion verlief größtenteils fair und sachlich – aber natürlich auch mit absehbarem Inhalten: verhärtete Fronten auf beiden Seiten. Die externen Experten Prof. Dr. Albert Scherr  (Soziologe, Pädagogische Hochschule Freiburg  i.Br.) und Prof. Dr. Thomas Feltes (Kriminologe, Ruhr-Universität Bochum) hielten sowohl den Fanvertretern Christian Bieberstein (Unsere Kurve) als auch Donato Melillo (Fanbeauftragter Hertha BSC) den Spiegel vor. Mehr aber zeigten sie Hendrik Große-Lefert (Sicherheitsbeauftragter DFB) als auch Bernd Heinen (Vorsitzender  Nationaler Ausschuss Sport und Sicherheit), wie sie die Verbände und die Polizei sehen. So wurden die Verbände (DFL, DFB, …) für ihre oft nicht neutrale Haltung kritisiert. Man vermisst die Solidarität mit den Fans, wenn sie angebracht ist. Fehlverhalten gibt es durchaus auch bei der Polizei. Dies bestätigte auch der Leiter der Direktion 2 in Berlin, Hans-Ulrich Hauck. Überraschend ehrlich und positiv lud er Interessierte ein, bei der Nachbereitung der Spiele dabei zu sein. Er berichtete von eigenen Erfahrungen bei Auswärtsspielen, und dass er die Hände über dem Kopf zusammenschlägt bei dem Vorgehen von Kollegen.

Hier musste sich der Vertreter der Polizei, Herr Heinen, auch deutliche Worte anhören. Zu Recht wies er jedoch immer wieder auf die Rechtsstaatlichkeit hin. Bei Verfahren gegen Beamte nach einem Fehlverhalten (Beispiel war das Champions League Spiel Schalke – Saloniki und die daraus resultierenden Dienstaufsichtsbeschwerden) müsse ordentlich und gewissenhaft ermittelt werden. Zweifelsohne müsse auch eine Straftat von Seiten der Polizei geahndet werden, ohne jedoch „Schnellschüsse“ zuzulassen. Die passende Antwort von Christian Bieberstein folgte prompt und erntete tosenden Applaus: Wieso würde diese Rechtsstaatlichkeit denn nicht auch bei Fußballfans angewandt?

Hinter jeder Uniform steckt ein Bürger – aber auch hinter jedem Trikot. Dies unterstrichen auch die beiden Professoren. Sie stellten sich als neutrale Kritiker beider Seiten sehr sympathisch dar und forderten den Dialog auch bis zum letzten Beamten herunterzubrechen. Auch eine „Abrüstung“ schlug Prof. Dr. Scherr nachhaltig vor. Weniger Robo-Cop – mehr Beamter mit Gesicht. Dies wurde durch einen Bericht eines nach Deutschland ausgewanderten Engländers bestätigt. Im Mutterland des Fußballes sind die Bobys im Block und es herrscht ein durchweg fairer Umgang.

Der Dialog wurde von Fanseite nun im ersten Schritt neu angeschoben. Das Fazit der Diskussion zeigt, dass insbesondere die Ultra-Kreise sich mit dem Dialog mit der Polizei noch nicht anfreunden können. Hier muss erst wieder Vertrauen aufgebaut werden. Die Polizei steht hier mehr in der Pflicht (so auch die Professoren). Gepanzert, mit Waffe und dazu der „Klügere“ beider Seiten steht man mit Fehlverhalten schlechter dar. Von der Polizei erwartetet man die konsequente und korrekte Umsetzung des Rechtsstaates – von Fans eher nicht. Die Reaktionen des Publikums zeigten, dass man diesen Konflikt sehr satt hat.

Verletzter „Fan“ in Köln überschattet Diskussion

Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Während der Diskussion verließ Herr Heinen kurz den Raum und telefonierte hinter dem Bühnenvorhang. Er entschuldigte sein kurzzeitiges Verschwinden mit einem Schwerverletzten nach einer Massenschlägerei in Köln.

Während mehr als 700 Menschen friedlich, fair und sachlich eine Diskussion führen, schlagen sich Idioten die Köpfe ein. Ein wahrlicher Bärendienst für den Kongress.

Dies sahen auch die Vertreter von Unsere Kurve und ProFans so. Den Kongress abzusagen käme einer Kapitulation gleich – aber bei einem Todesfall wäre dennoch eine neue Dimension erreicht worden.

So richteten die Veranstalter am Sonntagmorgen klare Worte an die Gäste: „Dies sind die Menschen die wir nicht erreichen!“ Die Fans verurteilten die Aktion aufs Schärfste und zeigten somit klar „Die gehören nicht zu uns!“  Andreas Rettig, Geschäftsführer der DFL, stieß in dieselbe Kerbe und kritisierte die Medien. Statt seitenweise über Krawallmacher zu Berichten, wäre eine Sonderseite zum Fankongress mehr als angebracht.

Auf den Rängen: Hier bestimmen wir! – Grenzen und Chancen von Selbstregulierung in Bezug auf Anti-Diskriminierung

So lautete die Podiumsdiskussion am Sonntagvormittag. Auf dem Podium Vertreter der Schickeria München, Fanprojekte Babelsberg und Mönchengladbach, Fanbeauftragter Dortmund und Gerd Dembowski (Fanforscher).

Es fehlt den Fans oft am Bewusstsein für das Problem. Die Aussage „Politik hat im Stadion nichts zu suchen“ erweist sich oft als plumpe Entschuldigung und beinhaltet nichts anderes als die bewusste Toleranz extremer Gesinnung. „Alltagsrassismus“ muss konsequenter bekämpft werden und dies auch im Stadion – unabhängig vom Block. Auch in den VIP-Bereichen fallen diskriminierende Aussagen.

Das gesellschaftliche Bild der Jugend verändert sich, und auch hier befinden sich Vereine und Gesellschaft in der Verantwortung. Auch kommt hier das Kommunikationsproblem mit der Polizei ungelegen. Diese weiß oftmals gar nicht, wer oder was die Fanszene ist und was Fanbeauftrage, Fanprojekte und Interessengemeinschaften machen. Fazit der Diskussion: Eine Selbstregulierung benötigt Hilfe von außen.

Fazit

Der Fankongress kann trotzt der Vorkommnisse in Köln als Erfolg bezeichnet werden. Auch wenn noch viel Wasser in Aachen vom Himmel fallen wird, so hat das Wochenende gezeigt: so kann und wird es in einigen Themen nicht weitergehen können. Als Folge von konstruktiven Gesprächen wird jede Partei an sich arbeiten müssen. Egal ob Fans, Fanclubs, Fanbeauftragte, Fanprojekte, Vereine, GmbHs,  Fussballverband oder Polizei – jeder muss seinen Teil dazu beitragen, dass die immer noch einmalige deutsche Fussballkultur erhalten bleibt! Wie wir den Fankongress und dessen Inhalte in Aachen einbringen können werden wir in den kommenden Wochen und Monaten sehen. Es würde uns auf jeden Fall freuen, wenn die Fans der Alemannia uns bei unserem Engagement und in unserem ständigen Dialog weiterhin unterstützen.

http://www.fankongress.de/pressespiegel/

 

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